Rechtspflege 1497 Am 20. April 1497 trafen sämtliche Herren Am Alvensleben
zu Calbe, deren Senior Vicke 1. nunmehr war, eine Vereinbarung über die Rechtspflege
für sich, ihr Gesinde und ihre Untertanen. Keiner von ihnen sollte sich gegen seine Brüder und Vettern oder gegen seine Untertanen selbst Recht
verschaffen, auch sollte keiner den andern, sein Gesinde oder seine Untertanen in der Hitze der Leidenschaft mit harten und kränkenden Worten
anfahren. Streitigkeiten einzelner Herren von Alvensleben sollten von den übrigen gütlichen gehöret, untersucht und womöglich verglichen werden.
Jeder von ihnen sollte sein Gesinde und seine Untertanen bei ihren Streitigkeiten zuerst in Güte zu vergleichen und jedem zu seinem Rechte zu
verhelfen suchen. In Streitigkeiten zwischen Herren und Untertanen sollten diejenigen Familien- glieder, welche an der Sache selbst keinen Teil
hätten, als Vermittler auftreten, damit Prozesse möglichst verhindert würden. Streitigkeiten mit den Untertanen, welche von der Herrschaft in
Güte nicht geschlichtet werden könnten, sollten an das Vogteygericht verwiesen, und dieses sollte an zwei Orten, nämlich für die Untertanen im
Werder und im Lande Salzwedel nach alter Gewohnheit zu Altmersleben, für die Untertanen an der Heide aber zu Estedt, an jedem Orte vier Mal im
Jahre, gehalten werden. Die vier Gerichtstage zu Altmersleben waren der Dienstag nach Quasimodigeniti (einer der Tage vom 31. März bis zum 4.
Mai), der darauf folgende zweite Dienstag nach dem Feste der elftau send Jungfrauen (dem 21. Oktober) und der hierauf folgende zweite Dienstag.
Die Ge richtstage zu Estedt hingegen wurden auf die ricontage nach eben denselben Festen ange setzt. Fiele einer oder der andere dieser
bezeichneten Tage auf einen Heiligentag, an welchem nicht üblich war, Gericht zu halten, so sollte das Gericht auf den nächsten Tag den kein
solches Hindernis träfe, verschoben werden. Auf jedem ersten und dritten Ge richtstag mussten alle Untertanen aus den zu dem Gerichte gehörigen
Dörfern erscheinen. Der Fehlende sollte eine Geldstrafe von drei lūbischen Schillingen erlegen. Bei dem zweiten und vierten Gerichte waren nur
die Schulzen, und aus jedem Dorfe drei Bauern, von jedem der drei Teile, worin die Dörfer nach den drei Parten der Gerichtsherren geteilt waren,
einer zu erscheinen verbunden.
Die Gerichte wurden mit den Schulzen, und so viel freien, der Rechte kundigen Bauern, als dazu erforderlich waren, besetzt. Die Herren von
Alvensleben schickten dazu einen in Eid und Pflicht genommenen Vogt und einen Schreiber, ihnen selbst aber war nicht erlaubt, den Gerichten
beizuwohnen, damit nicht der Rechtsgang durch fremden Einfluss gestört würde. Bei demjenigen, was das Gericht erkannt hatte, musste sich jeder
beruhigen. Jedoch war auch den Untertanen erlaubt, in ihren Streitigkeiten auf ihre Freunde ein Kompromiss zu stellen, ehe sie bei dem
Gerichte klagten; streng verboten aber war ihnen, einander vor geistlichen Gerichten zu belangen. Wer dagegen handelte, sollte einen Gulden oder
einen halben Gulden, je nachdem er ein Hüfener oder ein Kossate war, der Gerichtsherrschaft als Strafe zahlen und die Kosten allein tragen.
Streitigkeiten der Bürger zu Calbe untereinander, war der Magistrat des Ortes zu entscheiden bemächtigt, Streitigkeiten mit anderen
Alvenslebenschen Untertanen aber, die nicht Bürger von Calbe waren, gehörten ebenfalls vor das Landgericht.
Dass bei dieser Form eines Vergleiches abgefaßten Konstitution in der Hauptsache ein altes Herkommen zu Grunde lag, ist nicht nur sehr
wahrscheinlich, sondern es wird auch in der Urkunde selbst deutlich gesagt. (Wohlbrück II, S 187-192).
Das hohe Gericht", das über „Erb und Eigen, Hals und Hand" zu entscheiden hatte, übernahmen die Alvensleben aus markgräflicher Zeit. Viermal im
Jahr tagte also für den Werder das Vogteigedinge (Voggeding) in Alt- mersleben. Beim ersten und dritten hatten alle Untertanen zu erscheinen,
beim zweiten und vierten nur die Schulzen, die in den Dörfern im Namen der Alvensleben Gericht zu halten hatten. An den einzelnen
Vogteigerichten wurden bis zu 50 bis 60 Fälle abgeurteilt. Die „Untertanen an der Heide", für die zu Estedt Recht gesprochen wurde, waren
die aus der Umgebung von Gardelegen, Zichtau und dem Miester Gericht. Hinrichtungen wurden auf dem Galgenberge bei Vahrholz vollzogen, der
alten Hochgerichtsstätte des Calbeschen Werders. Entnommen "Die Alvensleben in Kalbe 1324-1945" von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben
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