Eine der lieblichsten Erinnerungen ist mir das alte Schützenfest in Calbe a.d. Milde. War es doch nächst dem Weihnachtsfeste das schönste Fest in dem kleinen Ackerstädtchen. Das ganze Jahr sprach man davon und sehnlichst erwartete man es. Mitte des vorigen Jahrhunderts (gemeint ist ca 1850)wurde die Schützengilde gegründet. Angesehene Bürger traten in dieselbe ein. Wer nicht Schütze war, wurde für nichts gerechnet. Die Aufnahme in die Gilde geschah durch "Ballontage", d.h.: Es wurden schwarze und weiße Kugeln von jedem Stimmberechtigten verdeckt abgegeben. Ueberragte die Zahl der schwarzen Kugeln die weißen, dann war der Aufzunehmende nicht gewählt. Dies galt für eine Schande. Jetzt kennt man dergleichen nicht mehr. An Stelle von Kugeln sind die Stimmzettel getreten. Es war immerhin eine kostspielige Sache, Schütze zu sein. Die schöne, glänzende Uniform, die vom Schneidermeister Feilhaber angefertigt wurde (er war Militärschneider gewesen), war teuere. Sie bestand aus einem dunkelgrünen Tuchrock mit schwarzem Samtkragen und schwarzen Aufschlägen und schmaler roter Einfassung, dunkelblauen Tuchosen mit roter Biese und feinn, leinernen, weißen Beinkleidern, dazu Hut mit Federbusch und grüner Tuchmütze. Das Fest selbst wurde zwischen Pfingsten und Johannis abgehalten. Es dauerte drei Tage, am Sonnabend, Sonntag und Montag. Am Freitage Abend war Zapfenstreich. Eine Kompanie marschierte mit voller Musik durch die Stadt. Die Offiziere bekamen vor ihren Türen ein besonderes "Musik-Ständchen". Am Sonnabend fürh wurde "rümtrümmelt", d.h. die beiden Tamboure Kammann und Huthmann durchschritten trommeld die Stadt. Nachdem um 9 Uhr tum tweeten Moal "rümtrümmelt" was, erfolgte der Umzug durch die ganze Stadt, dann der Ausmarsch nach dem sogannten "Schützenplatze", einer schönen großen Wiese, die der Besitzer des 2. Rittergutes Amtmann Schildt kostenlos zur Verfügung gestellt hatte. Vorher hatten sich die Schützen nebst dem Musikkorps vor dem Hause des Kommandeurs, Schmiedemeister Eggebrecht versammelt.
Später ist die "große Wiese" verkauft worden an die Bürger. Es sind Gärten daraus entstanden. Der Zug sah recht stattlich aus. Der Kommandeur, eine herkulische Gestalt, mit wallendem weißen Federhut, neben ihm schreitend sein Adjutant Färbermeister Gartz. Die Schützenfahne, die vorher vom Rathause abgeholt war, trug der Fahnenträger Schlossermeister Köch, Fahnenunteroffiziere waren der Ackerbürger Stoffel Dannehl und Schlossermeister Flügel, Feldwebel der Ackerbürger Fritz Dannehl, später Kommandeur, Offiziere der Brauereibesitzer Christof Kummert, Bäckermeister Dietrich Engel, Wassermühlenbesitzer Müller (Woatermöller) und Holländer, Molkenpächter Lüttge (Holländer Lüttch). Den Schellbogen trug der Polizeidiener Kuffke, später der Damenschneider Herper. Auch die "Suite" fehlte nicht. Der König und Kronprinz, die glänzende Uniformen mit viel Orden geschmückt, mit ihrer Begleitung machten einen prächtigen Eindruck:"Int Swiet" gingen die Honoratioren, der Bürgermeister Mittelstraß, der Arzt Dr. Danneil, der Apotheker Wilhelm Senff u.A., auch die über 60 Jahre alten Schützen, die kein Gewehr mehr zu tragen brauchten.Auf dem Schützenplatze angekommen, hielt der Bürgermeister eine Ansprache, die in ein Hoch auf Seine Majestät den König von Preussen ausklang. Nun folgte das Königsschießen. Das Ergebnis wurde mitgeteilt, der alte König und Kronprinz seiner Würde enthoben und der neue feierlich durch Ummarsch eingeführt. In der Stadt wurde gegen Mittag gefragt: "Wöcker is denn König un wöcker is denn Kronprinz?" "O. Teitch (Tischlermeister Teitge) un Wilk (Uhrmachermeister Wilkens) Kronprinz." Und die Neugierde war befriedigt. Die Häuser des neuen Königs und Kronprinzen, die es immer auf ein Jahr bleiben durften, wurden dann mit Blumenkränzen und frischen Laubgewinden geschmückt. Eine Girlande mit ensprechender Inschrift: "ES lebe der Schützenkönig" wurde hoch über die Strasse gezogen und an dem gegenüberliegendem Hause befestigt. Auf dem Schützenplatze waren Zelte (Boodn) aufgeschlagen, so das Schützen- (Weinzelt) Schützenwirt Dannehl, Tanzbuden des Brauers Lübeck und des Herbergsvaters Ludwig Schultze, Zucker- und Würfelbuden u.A. fehlten nicht. Es durften aber nur einheimische Gewerbetreibende zugelassen werden. Gegen Abend erfolgte wieder der Rückmarsch der Schützen in die Stadt, aber sie kehrten dann einzeln nach dem Schützenplatz zurück um sich bis zum frühen Morgen mit ihren Familien mit Tanzen zu vergnügen. Am Sonntag war Kirchenparade, - der Oberprediger hielt die Predigt - (Paradeanzug, wieße Beinkleider) darauf wieder Marschieren nach dem Schützenplatze.Das war der Hauptfesttag. Es kamen die Landleute von Nah und Fern mit den ihrigen zum "Schützenfest noa Kalf" umsich zu vergnügen. Nachmittags wurde die Polonaise von den Schützen um die "Eiche" herum aufgeführt. Es war dies ein in ein Rundteilgepflanzter juger Eichenbaum, mit Buschwerk umgeben; Kletterstandgen für die Jugend waren vorhanden; auch "Wettlaufen" wurde veranstaltet. Am Abend wurde nur noch die Fahne mit Musik nach dem Rathause gebracht. Der Montag, der dritte und letzte Tag, war mehr für die Honorationen bestimmt. U.a. waren derAmtmann Schildt und der Oberprediger da. Es wurde am Nachmittage bis zum Morgen im Schützenzelte getanzt. So hatt dann das schöne Fest, das drei Tage und drei Nächte gedauert hate, seinen Abschluß gefunden. Das übliche Mittagsgericht: Grüne Erbsen, Mohrrüben und neue Kartoffeln (Gröön Ersten, gäöhl Röben und nee Tüffeln) durften auf keinem Tisch fehlen. Es wird vielen Alten in guter Erinnerung sein. Die Musikkapellen wurden von außerhalb herangezogen, bis Johannes aus Kläden bei Arendsee kam und sich in die Herpersche "Klein-Kossatenstelle" im Winkel hineinheiratete(rinfreet) und in Kalbe tüchtige Musiker heranbildete. Später hat die Gilde sich ein eigenes Schätzenhaus vor dem Salzwedeler Tor gebaut und einen Schützenplatz erworben, aber an das alte "Schützenfest" soll die Feier nicht herangekommen sein. Während der Kriegszeit (WKI) hat das Fest nicht stattgefunden. Es wird überhaupt wohl nicht mehr, wenigstens nicht in der früheren alten, schönen Weise abgehalten werden. Auch hierin hat die neue Zeit Wandel geschaffen.
Kinderschützenkette
Kette des Schützenkönigs
Geschichten über Kalbe Milde
Schützenscheiben von 1875 - 1900
Schützenscheiben von 1901 - 1931
Schützenkönig
Kronprinz
Kinderschützenkönig
1875 - 1876
Rober Müller
Aug. Bahrs
1876 - 1877
W. Müller
W. Schultze
1880 - 1881
Fr. Wagner
Fr. Schulze
1883 - 1884
W. Schulze
H. Bünnig
1884 - 1885
A. Meinecke
Dr. H Parisius
W. Reek
1885 - 1886
H. Bünnig
W. Müller
1886 - 1887
H. Kummert
B. Bonneß
R. Lotsch
1887 - 1888
Carl Schneider
Friedrich Arnold
1888 - 1889
Dr. Parisius
Bürgermeister Plaideur
O. Voigt
1889 - 1890
August Rex
Wilhelm Senff
W. Hildebrand
1890 - 1891
Gustav Schulze
Carl Ewe
1892 - 1893
C. Ewe
W. Schulze
1892 W. Schulze
1893 - 1894
Robert Richter
Oswald Senff
F. Lotsch
1894 - 1895
Fritz Beyer
Dr. Wilhelm Brünseke
F. Klingebiel
1895 - 1896
F. Michael
O Wilkens
1896- 1897
Gustav Wesche
Rudolf Stöhr
Friederic Kamrad
1897 - 1898
August Wesche
Hermann Schermer
1898- 1899
Max Schultze
Willy Pape
P. Sannemann
1899- 1900
Dr. C. Schröder
H. Wendeborn
H. Thielecke
1900 - 1901
H. Prowaseck
C. Rethfeldt
1901- 1902
Wilhelm Dähre
Gustav Mösenthin
W. Herper
1902- 1903
Richard Stapel
Herm. Schieleck
Richard Horst
1903- 1904
Willy Pape
Max Schultze-Kummert
Otto Herrmann
1904 - 1905
Ernst Krafft
Wilhelm Dähre
1905- 1906
O. Senff
Dr. Schmeisser
O. Wernecke
1906- 1907
B. Hebestreit
1907 – 1908
Hermann Thielecke
Carl Blank
1908 Walter Lübeck
1908 – 1909
G. Petri
F. Albrecht
1909 – 1910
Franz Albrecht
Otto Lücke
A. Hannecke
1910 – 1911
Carl Blank
Carl Schneider
Ernst Holst
1911 – 1912
Bürgermeister A. Reimann
Max Schultze-Kummert
Herrm. Behlendorf
1912- 1913
Amtsrichter O. Rösler
Rehtsanwalt Dr. O.Germer
1913- 1914
Otto Wernecke
Fr. Lühmann
Alfred Hoffmann
1914 – 1920
Hermann Küster
Walter Grabow
Rudolf Kneiphoff
1920- 1921
Fritz Herrmann
Walter Hanspach
E. Lehmann
1921- 1922
Dr. med.vet.R. Borchert
E. Schäfer
K. Ulrich
1922 – 1923
Otto Schulze
Artur Gaede
O. Willmann
1923- 1924
Fritz Wernecke
Ho. Schulze
Fritz Wagner
1924- 1925
Ferdinand Runge
Fritz Lühmann jun.
Fritz Kinzel
1925-1926
Emil Berg
Willi Thiede
Karl Freitag
1926 – 1927
Curt Senff
Paul Lotsch
Georg Schroll
1927- 1928
Fritz Bismark
Hermann Küster
Helmut Nagel
1928- 1929
Bernhard Bahrs
August Schulz
Werner Lüdeke
1929- 1930
Joseph Thole
Richard Reeck
Fritz Wernecke
1930- 1931
Rektor Joh. Böttcher
Lehrer Rich. Herper
Willi Gramkow
1931- 1932
Bahndirektor Paul Thiele
Herm. Schultze-Kummert
P. Flügel
1932- 1933
Helmut Krüger
1933- 1934
Kurt Leege
Auszug aus "Die Altmark" von G. Hesselbarth; Verlag Hermann Geisler, Inhaber Karl Dannemann Stendal 1921 Foto: 2 x Ansichtskarten 1 x privates Foto v. H. Krüger