Die Befestigung der Burg Calbe Die Burg Calbe an der Milde liegt auf einer Stelle, welcher in den verschiedenen historischen Zeitabschnitten des Mittelalters eine besondere militärische Bedeutung beigelegt werden muss. Im frühesten Mittelalter waren die Slawen über die Elbe bis an die Biese, den Augraben und die Milde gelangt und der Burgwardsbezirk Calbe mit Calbe und dem Calbeschen Werder im altmärkischen Burgwardsgebiet der den keilartig in das Sachsenland vorgeschobenen äußersten westlichen slawischen Burgwardsbezirk bildete und nach Gründung der karolingischen Marken in den slawischen Burgwarden westlich von Saale und Elbe einen Flankenposten darstellte, der das nunmehr in ein deutsches Kolonistenland verwandelte Gebiet der ehemals wendischen Burgwardsbezirke zwischen Calbe und der Elbe von einer erneuten slawischen Besitznahme geschützt hat, als Ende des 9. Jahrhunderts die Obotriten von Norden her das Flussgebiet der Jeetze in Besitz nahmen. Hatte vorher die geräumige slawische Burg den wendischen Landbewohnern ihres Bezirks mit ihrem Vieh Zuflucht gewährt, wenn die Sachsen ihre wendischen Grenznachbarn an dieser Völkerscheide bei Calbe bedrängten, so war nun der umgekehrte Fall eingetreten. Die deutsche Burg sicherte Flanke und Rücken des gemarkungsweise planmäßig mit den militibus agraris besetzten zu einer Kolonisteninsel gewordenen Rittergutsgebiets der 4 Burgwarde Tangermünde, Arneburg, Osterburg und Calbe. Dazu kam die Bedeutung für die Sicherung der Heidenmission durch die Burg Calbe. Denn es galt sowohl das östlich der Milde mit der deutschen Kolonisation eingeführte Christentum zu erhalten, als auch dasselbe im Heidenlande der Wenden, dem Gebiet der hufeisenförmigen Dörfer westlich Calbe nach Möglichkeit neu zu begründen. Ebenso wie in Arneburg, welche Feste, gleichfalls auf einer hier durch die Elbe gebildeten Berührungslinie zwischen neu eingeführtem Christentum und länger fortbestehendem Heidentum liegend, durch Errichtung eines Mönchsklosters im 10. Jahrhundert eine befestigte Missionsstation geworden war, wurde innerhalb der schützenden Befestigungen von Calbe, nämlich in "urbe quae Colwo dicitur" ein Kloster gegründet, in welchem sich die Töchter dynastischer Geschlechter dem Dienste zu Ehren des heiligen Laurentius weihten. Für die militärische Wichtigkeit dieses festen Platzes in dieser Zeit zeugen die Nachrichten, dass der große slawische bis an die Elbe und Saale ausgedehnte Raubzug des Obotritenfürsten Mistui im Jahre 983 augenscheinlich bei Calbe an der Milde, als dem nordwestlichen Eckpfosten des ältesten germanisierten Slavenlandes mit der Zerstörung des Nonnenklosters, d.h. also zweifellos mit Einnahme der Burg zu Calbe seinen Anfang nahm, und dass in der Folgezeit diese Feste einen Brennpunkt des um sie tobenden deutsch-slawischen Kulturkampfes gebildet hat. Denn dies folgt daraus, dass der 1121 augenscheinlich wegen zu starker Gefährdung erfolgten Verlegung des Nonnenklosters von Calbe nach Schöningen nach jener Urkunde von 1121 häufige Zerstörungen des Klosters vorangegangen sind, wozu die Eroberung der Burg jedesmal die Vorbedingung sein musste. Nachdem die Deutschen unter Markgraf Albrecht dem Bären in dem Kampfe mit den Wenden auch westlich der Milde dauernd Sieger geblieben waren, hatten die Burgen der Landesherren den Zweck, ihnen als Reisequartiere oder vorübergehend als Residenzen zu dienen oder wichtige Handelsstraßen zu decken und Heerstraßen zu sperren, namentlich an Flussübergängen. Wenn ferner die Lage und die Größe der Burgen hierzu geeignet war, so dienten sie zuweilen auch dazu, ähnlich wie die modernen Festungen, Stützpunkte und Waffenplätze für kriegerische Operationen größeren Stils abzugeben.
Da Calbe eine Allodialbesitzung der askanischen Markgrafen war, so wird die Burg sicherlich ihren Besitzern, wenn diese als Landesherren die Nordmark von Tangermünde über Stendal bis Salzwedel durchquerten, oft als bequem gelegenes Nachtquartier gedient haben, wenn dies auch durch markgräfliche auf Calbe ausgefertigte Urkunden nicht bewiesen werden kann, jedenfalls aber war Calbe eine sehr wichtige Speerburg an der Stelle, wo die bei "Neuendorf am Damm zu Calbe" vereinigten von Tangermünde-Stendal und von Leipzig-Magdeburg-Gardelegen kommenden bedeutenden Handelsstraßen das hier 6 km breite völlig versumpfte Ellern-Bruch der Mildeniederung überschreiten. Die im weiteren gegebenen Beschreibung der Burganlage lässt deutlich erkennen, wie vorzüglich dieses kritische Defilee der großen Magdeburg-Lüneburger "Salzstraße" (die schon im frühen Mittelalter zur Bildung des Namens Salzwedel Veranlassung gab), von den Burgwällen von Calbe aus auf Pfeilschuss- oder gar Wurfspeerweite flankiert werden konnte und die beiden Außenposten: die Uhlenburg am Neuendorfer Damm und die ehemalige Schanze vor dem "Voßdamm", wie es scheint lediglich dazu angelegt sind, um die Beherrschung dieser Straße noch vollkommener zu machen. Von der unmittelbar an der Straße gelegenen Uhlenburg führte, wie aus dem sogenannten Burgfrieden vom 14. Februar 1494 hervorgeht, ein Graben bis zu "dem Fleete", d.h. dem Wasserzuführungskanal zwischen Burggraben und Milde, und führte, wie dies jetzt noch erkennbar ist, unmittelbar an der Straße entlang, sodass diese auch auf der Strecke zwischen der Uhlenburg und der Burg Calbe, d.h. auf rund 1000 Meter Weglänge durch einen hinter jenem Fronthindernis aufgestellten Heerhaufen von Süden her flankiert werden konnte, während ein Verbindungsweg südlich dieses Grabens volle Bewegungsfreiheit des Verteidigers zwischen Burg und Uhlenburg ermöglichte. So wurde denn auch, als die Burg ein Lehn der Familie von Alvensleben geworden war, in den Lehnsbriefen ausdrücklich betont, dass mit diesem Lehn die Zollerhebung, die Sicherung der passierenden Kaufleute und die Erhaltung dieser Straßendämme bis über den Kahnstieg am Sekantsgraben verbunden sei.
Als Stützpunkt für Kriegsoperationen in der Nordmark war Calbe sehr geeignet, weil es in deren Mitte lag, mehrere alte "Landstraßen" sich dort kreuzten oder nahe vorbeiführten und weil die Burg schon an sich, noch mehr aber in Verbindung mit der befestigten Stadt und den vorgeschobenen Außenwerken den erforderlichen großen Raum für die Unterkunft eines größeren Heerhaufens bot, der nur durch einen sehr großen Belagerungsring eingeschlossen und nur nach großen Opfern von Zeit und Streitkräften zur Übergabe gezwungen werden konnte. Der Angreifer musste schon auf Widerstand stoßen an der heutigen Calbenser Gemarkungsgrenze, welche einen von den Flussniederungen gebildeten inselartigen Kreis von etwa 5 Kilometer Durchmesser einschließt und - abgesehen bei Frostwetter - durch die Sumpflandschaften bereits einen natürlichen Schutz hatte, welcher noch erhöht werden konnte durch künstliche Überschwemmungen aus dem hochgelegenen Mildebett, denn gegen Osten und Südosten konnte von der "Uhlenburg", gegen Norden durch die Schanze an der Voßbrücke südlich Vahrholz, gegen Südwesten am "Schanzgraben" und an der "Schanzbrücke" ein weiteres Vorgehen des Feindes verhindert werden, bis derselbe diese vorgeschobenen Befestigungen genommen hatte und dann erst zur Belagerung der Stadt und der eigentlichen Burg Calbe schreiten konnte. (Auch nordöstlich der Burg Calbe liegt auf Altmersleber Gemarkung ein rundlicher Platz mit dem Namen "Burgstelle", Nachrichten über diese sind jedoch nicht bekannt.) Die künstlichen Erd- und Wasserwerke der letzteren aber sind, wie ein Vergleich zeigen wird, weit bedeutender gewesen als bei anderen Burgen. Auch konnte wohl kaum eine andere altmärkische Burg so gut und schnell und reichlich verproviantiert werden als Calbe mit seinen fruchtbaren lehmigen Boden auf dem "Nonnenwerder", dem Petersberg und dem Acker unmittelbar südlich der Burg und neben der Uhlenburg, den Weizenabgaben aus Neuendorf am Damm, welche gewiss in die "Burgmühle" geliefert sind, und dem Fleischzehnten aus den großen Viehwirtschaften von Carritz, wie solche auch dem Landbuch den Familien Calve und Packebusch zustanden. Auch im Calbeschen Werder lagen fruchtbare Dörfer, welche nach urkundlichen Nachrichten Naturalien an die Burg zu liefern hatten.
Die älteste Beschreibung der Burg Calbe ist erst nach der 1632 erfolgten Zerstörung derselben geliefert worden, dürfte aber bald danach erfolgt sein, da diese Beschreibung noch auf den Abbruch der Burg (1632) Bezug nimmt. Dies Schriftstück hat Wohlbrück bei Abfassung seines Werkes "Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Alvensleben und dessen Gütern" vorgelegen. Obgleich Wohlbrück den dritten Band dieses Werkes, welcher diese Beschreibung auf Grund einer schriftlichen Überlieferung enthält, erst 1829 herausgab, als der Autor bereits im 70sten Lebensjahre stand, so hat letzterer die Abfassung dieses Werkes doch erheblich früher, zum Teil schon Ende des 18. Jahrhunderts gemacht. Er schreibt im Anschluss an die Beschreibung der 1632 erfolgten Burgzerstörung. :
"Zu bedauern ist, dass man vor dieser Zerstörung des Schlosses Calbe weder eine Zeichnung noch eine Beschreibung desselben vorgenommen hat. Inzwischen ist doch eine Nachricht von den Ruinen, man weiß nicht in welchem Jahre, aufgesetzt worden, die sich erhalten hat. Nach derselben lag das Schloss der Stadt Calbe gegen Morgen, an dem nach Neuendorf führenden Damme. Man gelangte dahin durch einen einzigen Damme, welcher zwischen der Milde und dem Burggraben bis an eine Zugbrücke fortlief. Indem man über diese erste Brücke ging, erblickte unter sich einen bereits ganz verwachsenen Graben, (Jetzt ist die Spur desselben verloschen) welcher ohne Zweifel bei der Zerstörung des Schlosses mit dem ehemaligen, zwischen der Burg und dem großen Graben befindlich gewesenen Walle zugeworfen war. Um jenen äußeren Graben ging ein Weg nach den Wiesen, von dessen Ende ein Fußsteig zu einigen Hopfengärten führte. An diesem Fußsteige, der Burg gegen Morgen, bemerkte man einen länglichen runden Platz mit einem kleinen Graben und Walle, wo eine Art von Außenwerk gestanden zu haben schien, auch fanden sich an dieser Rundung noch Überbleibsel eines aus großen Feldsteinen bereiteten Mauerwerkes. Mehrere Sparen von einem gleichartigen Mauerwerk wurde man von dort an, bis zu dem Graben des Neuendorfer Dammes, hin und wieder gewahr. Dem Anscheine nach war dieses Werk bestimmt gewesen, den Übergang über den Damm zu behindern. Vielleicht war es die Uhlenburg , welcher in dem ersten Calbischen Burgfrieden von 1494 gedacht wird, und diese Uhlenburg war vielleicht in alten Zeiten der Wohnsitz der Calbischen Burgmänner. Hinter dem ersten Burggraben befand sich der erste nun gänzlich geebnete und in Hopfengärten verwandelte Wall, welcher sich rund um die Burg zog. Hierauf kam ein zweiter , sehr tiefer, morastiger Graben, dessen Breite 50 bis 60 Fuß betrug und über welchen auf der Mitternachtsseite eine Zugbrücke (Noch jetzt erinnern sich viele Leute derselben, es ist aber keine Spur davon mehr vorhanden) führte. Da derselbe durch einen Kanal mit der Milde zusammenhing, so konnte es ihm nie an Wasser fehlen. Wegen seiner großen Tiefe und seines morastigen Grundes sind öfters Menschen in ihm verunglückt. Die Erde aus diesem Graben war, wie der Augenschein zeigte, erforderlich gewesen, um in der dort überall herrschenden Niederung eine solche Erhöhung zu bilden, als die ist, worauf die Burg stand. Von dem großen Graben an bis zur Ringmauer war der abgetragene große Wall, an den meisten Orten hundert und mehr Schritte breit, befindlich. ( Eine angebliche Überlieferung spricht von einer anderen dicht am Burggraben befindlichen gewesenen Ringmauer, welche bei der Zerstörung der Burg in diesen Graben gestürzt sein soll.) Setzte man seinen Weg über die zweite Zugbrücke fort, so gelangte man durch ein Tor, welches mit einem Fallgatter versehen war, wie man an den großen Feldsteinen erkannte, in deren Rinnen einst die Zapfen liefen. Auf beiden Seiten standen starke Mauern und Rondelle mit Schießscharten. Weiter hinauf befanden sich noch zwei starke Tore, und ehe man völlig in die Burg trat, sah man den Grund der Pfeiler eines vierten bereits gänzlich verfallenen Tores. An diesem zur linken Hand stand ein altes, von der Burg abgesondertes längliches Viereck ausmachendes Mauerwerk, welches der untere Teil eines ehemaligen Wachturmes zusein schien. Trat man endlich in den inneren Raum der Burg, so lag zur Rechten ein tiefes Gewölbe in einem Rondell, welches nun zu einem Gefängnisse gebraucht wurde und wahrscheinlich auch ehemals dieselbe Bestimmung gehabt hatte. Über diesem Gewölbe nach Mitternacht hin stand ein Gebäude von dicken Mauern und 3 Stockwerken ... Nach deutlichen Anzeichen war es gegen Ende des 15 Jahrhunderts von Gebhard XVI (v. Alvensleben) bewohnt worden. Es schien seiner Bauart nach das älteste zu sein ... Gegen Abend waren keine Überbleibsel von eigentlichen Gebäuden mehr zu sehen, und die Mauern waren auf dieser Seite an den meisten Stellen ganz zerfallen, die daselbst befindlichen Keller aber ließen ebenfalls auf ehemalige Gebäude in dieser Gegend schließen. Gegen Mittag fanden sich die Reste eines weitläufigen Wohnhauses ebenfalls von 3 Stockwerken. Nach der Inschrift über der Haupttür war dieses dasjenige Gebäude, welches von Ludolf XI (v. Alvensleben) nach einem Brande im Jahre 1584 wieder hergestellt worden war. Gegen Morgen hatte ein drittes Wohnhaus gestanden, dessen äußere Mauer nur mit einem Teile eines Giebels noch stand. Die Mitte des von diesen Wohngebäuden eingeschlossenen Raumes ward von der alten Schlosskapelle eingenommen. Diese hatte sich noch mit ihrem Gewölbe und ihren sämtlichen Fensteröffnungen erhalten. (Die noch vorhandenen unteren Mauern sind 58 Fuß lang, 26 Fuß breit). Das Dach und die Giebel waren abgenommen worden. Der Bauart nach soll diese Kapelle von allen Gebäuden das jüngste geschienen haben ... Der an der Mitternachtsseite befindliche Turm war unten ein Viereck, 12 Fuß über der Erde verwandelte er sich in ein Achteck und von da an war er noch wenigstens 60 Fuß hoch. Seine Mauern standen sehr gerade und unbeschädigt... Die um die Kirche herum gelegenen ehemaligen Wohngebäude bildeten einen Kreis und die Mauer, worauf sie mit ihren äußeren Seiten standen, liefen ununterbrochen fort. Der zirkelrunde Raum, welchen die Mauer einschloss, hielt ungefähr 190 Fuß im Durchmesser. Was von Mauerwerk noch vorhanden war, hatte ohne Ausnahme eine solche Festigkeit, dass die Steine nur mit ungewöhnlicher Kraft von einander zu trennen waren. (Alles noch jetzt vorhandene Gemäuer besteht teils aus Feld-, teils aus Bruchsteinen. Backsteine sind nur zu den Verzierungen gebraucht worden, dem Kalke scheint viel Gips beigemischt zu sein.)"
Von den beschriebenen Gebäuden auf der Burg stammt kein einziges aus der Zeit des markgräflichen Besitzes. Sehr wahrscheinlich aber bleibt es, dass dieselben zum Teil auf den alten Fundamenten in dem genau im Mittelpunkt der ganzen Burganlage erwähnten "zirkelrunden Raum" wieder aufgebaut sind, denn außerhalb dieses Burghofes wurde der ringförmige Raum bis zum Wassergraben durch den mehr wie 100 Schritte breiten Wall ausgefüllt. Wahrscheinlich hat auf den Fundamenten des noch heute stehenden Turmes, dessen Anbau die Kapelle bildet, genau im Mittelpunkt der "Bergfried" gestanden, welcher in alten mittelalterlichen Burgen wie eine kleine Zitadelle in der Mitte der Burg dazu diente, der Besatzung im Falle äußerster Not als letzte Zuflucht zu dienen. Auch in der Burg zu Tangermünde befand sich ein "Bergfried". Der Grundriss der ursprünglichen Burganlage ist in der Beschreibung noch deutlich, in der Natur nur teilweise erkennbar (Der Eindruck wird jetzt zerstört durch die seit Anfang des19. Jahrhunderts entstandenen Ansiedlungen zwischen Burggraben und Milde und auf der Burginsel, welche jedoch wieder frei gelegt werden soll, und durch die Mitte 19. Jahrh. gebaute Chaussee. Bis dahin führte die Landstraße von Neuendorf am nördlichen Mildeufer an der Burg vorbei und überschritt an der Mühle die Milde. Der zugeworfene Außengraben markiert sich noch durch nasse Stellen nordwestlich der Burginsel.) und hat danach im Norden und Nordwesten bis an die Milde gereicht, sodass von dem abgetragenen auswendigen Walle aus über den äußeren zugeworfenen Wassergraben hinweg zunächst der zwischen diesem und der Milde führende Eingangsdamm von der Stadt Calbe zur Burg und ferner über die Milde hinweg die große Handelsstraße flankiert werden konnte, welche von Neuendorf aus zunächst scharf an der Uhlenburg vorbei führte, bei der Wassermühle die Milde überschritt und unmittelbar neben derselben auf dem nördlichen Flussufer auf einer Strecke von etwa 350 Metern an der Burg vorbei führte und endlich hart nördlich der Voßbrücke noch ein Außenwerk der Burg passierte, dessen Reste Ende 19. Jahrhunderts verschwunden sind.
Die Größenverhältnisse der Burg ohne Außenwerke sind hiernach folgende gewesen:
. der runde Burghof hatte 56 Meter Durchmesser und 0,75 Hektar Fläche
. die Burginsel noch heute 180 Meter Durchmesser und 2,5 Hektar Fläche
. die runde Burganlage bis zur Milde etwa 340 Meter Durchmesser und 6 Hektar Fläche
Der innere noch heute erhaltenen Wassergraben ist 25 bis 50 Meter breit, morastig und noch heute meist über mannstief. Die beiden Außenwerke am Neuendorfer Damm (Uhlenburg) und an der Voßbrücke lagen 1000 bzw. 3000 Meter in der Luftlinie von der eigentlichen Burg entfernt, sodass sie eine Wegstrecke von fast 5000 Metern einschlossen. Wahrscheinlich lag ferner an der Schanzbrücke an der Straße nach Engersen noch ein Außenwerk in einer Entfernung von 3000 bis 4000 Metern.
Vergleicht man an diesen Maßen die altmärkischen Burgen, deren Grundrisse noch zu kontrollieren sind, so erweist sich Calbe neben Tangermünde als die größte und als die einzige altmärkische Burg, bei welcher ein zur Burg gehöriges weithin ausgedehntes System von strahlenförmig vorgeschobenen Außenwerken nachgewiesen ist.
Es betragen nämlich die erkennbaren oder durch zuverlässige Nachrichten festgestellten Grundflächen von :
. der Burg Tangermünde: mit Außenwällen 6 Hektar , Raum innerhalb des Burggrabens 2,5 Hektar
. der Burg Arneburg: mit den Steilabfällen zur Elbe 4,2 Hektar, die ebene Hochfläche 1,5 Hektar
. der Burg Salzwedel: Raum innerhalb des 3-6 Meter breiten Grabens 1,3 Hektar (der Graben ist wegen festen Untergrundes
kein starkes Hindernis)
. der Burgstelle südlich Gladigau 0,4 Hektar (Sperrbrug an der Biese)
. der Burgstelle im Dorfe Mehrin o,4 Hecktar (südlich des Bieseüberganges bei Beese)
. der Apenburg südlich des Fleckens 0,2 Hektar (von der Familie von der Schulenburg erbaut)
. der Schulenburg an der Jeetze kaum 0,1 Hektar
Von erheblicher Größe ist die - jedoch schon südlich der Ohre gelegenen Burg Erxleben, welche innerhalb des etwa 10 Meter durchschnittlich breiten nassen Grabens 4,4 Hektar umfasst und damit wohl die Burginsel, nicht aber die ganze Burganlage von Calbe an Flächenraum übertrifft. Wenn die Burg Gardelegen, später Isenschnibbe genannt, in den noch heute erhaltenen schmalen natürlichen Wasserzügen ihren äußersten Abschluss gefunden hat, so wäre auch diese Fläche kleiner gewesen als der Grundriss der Burganlage von Calbe.
Von militärischer Bedeutung musste es auch sein, dass Burg Calbe mit seinen Außenposten eine völlig selbständige Anlage war und blieb. Die Ansiedlungen, welche zur Bildung der 1240 ebenfalls befestigten und von 2 Mildearmen eingeschlossenen Stadt Calbe führten, sind so angelegt, dass die Stadt hier die ganze Befestigungsanlage vorteilhaft ergänzen konnte, nicht aber - wie namentlich in Salzwedel und Stendal, mehr oder weniger auch in Tangermünde und Arneburg - mit der Burg zu einem Ganzen zusammengewachsen ist, sondern wie bei Gardelegen von der Burg soweit getrennt blieb, dass die völlige Unabhängigkeit der Burg gewahrt wurde. Letzteres war bei Calbe vielleicht noch mehr der Fall wie bei Gardelegen, traf sicher aber in weit höherem Grade in Calbe zu als bei Salzwedel, Arneburg, Tangermünde auch als bei Osterburg, Werben und Stendal, denn diese Orte bildeten zur Zeit Markgraf Albrecht des Bären und zum Teil schon sehr viel früher größere ständische Gemeinwesen, sodass die militärische Bedeutung dieser Burgen vor den Städten umsomehr zurücktreten musste, je mehr die befestigten Städte sich ausbildeten, sodass hier die Burgen wohl zum Teil zeitweise Residenzen werden konnten, aber frühzeitig aufhörten, selbständige militärische Festen zu sein, während die Stadt oder der Flecken Calbe bis in das 19. Jahrhundert hinein nicht nur von der Burg vollständig isoliert, sondern auch eine Mediatstadt der Burgbesitzer blieb und seine hervorragende Sturmfestigkeit im Sumpflande nach allen völlig unbebaut gebliebenen Seiten hin behielt.
Die Befestigungen zu Calbe waren offenbar für eine sehr starke Besatzung berechnet und konnten nur von einer solchen - dann aber entscheidend für die ganze Landesverteidigung oder Kriegslage mit Erfolg verteidigt werden
Eine Bearbeitung von Rudolf von Kalben, entnommen dem 32. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel 1905; Hrsg. W.Zahn; Druck E. Baensch jun. Magdeburg
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